6. Januar 2001
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P.
phone +91/1892/23363/25874, fax: +91/1892/25874
e-mail: dsala@tchrd.org, yaukatsang@tschrd.org, website: www.tchrd.org

Presseerklärung

Erzwingung der Loyalität - Jahresbericht 2000 des TCHRD

Der jüngste Jahresbericht des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) wurde heute veröffentlicht. "Erzwingung der Loyalität" stellt eine umfassende Dokumentation der Menschenrechtslage in Tibet dar, die sich im Jahr 2000 überall im Land weiter verschlechtert hat. In einem Jahr, in dem Peking unverhohlen versuchte, mit der Veröffentlichung des Weißbuches - einer profilierten Propaganda-Schrift - und der Unterzeichnung des "Memorandum des Einvernehmens"- einer Vereinbarung mit dem Menschenrechts-Hochkommissariat der UNO über Menschenrechtsstandards - sein internationales Image aufzubessern, bleibt China dennoch eines der wenigen Länder der Erde, in dem Menschenrechtsmißbräuche institutionalisiert werden.

Das vergangene Jahr ist von einem Zuwachs der Repression und der Verletzung der Grundfreiheiten in fast jedem Bereich durch die chinesische Regierung gekennzeichnet. Besessen von seiner Betonung auf Stabilität und Kontrolle verschärfte Peking ältere politische Richtlinien und führte neue, restriktive Maßnahmen ein. Politische und religiöse Freiheiten wurden immer mehr beschnitten. Die Tibeter waren weiterhin willkürlichen Verhaftungen und Festnahmen mit denselben grausamen Folterungen wie bisher ausgesetzt; Frauen erlitten eine Zunahme körperlicher Verletzungen, und Kinder haben wegen der in hohem Maße diskriminierenden Erziehungs- und Beschäftigungspolitik immer noch eine düstere und aussichtslose Zukunft vor sich.

Der Bericht handelt in Einzelheiten davon, wie die religiöse Freiheit im letzten Jahr Opfer der gröbsten Form der Unterdrückung wurde. Ausnahmslos in jedem Sektor der tibetischen Bevölkerung erfolgten schwere Übergriffe auf das Recht auf religiösen Glauben. Wegen der Intensivierung der Kampagne zur "patriotischen Umerziehung" rückten mehr und mehr "Arbeitsteams" selbst in die entlegensten Klöster vor, was massive Unterbrechungen der religiösen Studien und Wellen von Ausweisungen mit sich brachte. Es wurde von der Schließung von vier weiteren religiösen Einrichtungen wegen Widerstand gegen die Pekinger Politik berichtet. Das TCHRD verzeichnete im letzten Jahr 862 Fälle von Ausweisung aus religiösen Institutionen, darunter 147 Nonnen, was die Gesamtzahl der uns bekannten Ausweisungen seit Beginn der "Schlag-hart-zu" Kampagne in 1996 auf 12.271 bringt.

"Eines der Kernziele dieser Kampagne ist der Kampf gegen die tiefe Hingabe der tibetischen Bevölkerung an den Dalai Lama", meinte Lobsang Nyandak, der leitende Direktor des TCHRD. So erstreckten sich die verschärften religiösen Restriktionen während des Jahres nun auch auf die allgemeine Bevölkerung, insbesondere auf Tibeter in staatlicher Stellung. Die verwendeten Methoden der Kontrolle waren unrechtmäßige Razzien in Häusern, um nach Hausaltären und dem verbotenen Photo des Dalai Lama zu suchen, und der Versuch, die Loyalität der Regierungsangestellten durch Strafuntersuchungen und Drohungen inbezug auf ihre Karriere zu erzwingen. Auch die Feier der traditionellen, religiösen Feste wurde schwer beschnitten, insbesondere die Geburtstagsfeiern des Dalai Lama.

Die Verweigerung der Rede- und Ausdrucksfreiheit hält an. 451 Fälle von derzeit in Tibet eingesperrten politischen Gefangenen sind uns bekannt. Im Jahr 2000 dokumentierte das TCHRD 26 Verhaftungen im Zusammenhang mit politischen Aktivitäten - friedlichen Protesten, Besitz von Bildern und Audiokassetten des Dalai Lama oder Geleiten von Tibetern nach Nepal. Jede Verbindung zu den von der tibetischen Regierung-im-Exil betriebenen Schulen ist ebenfalls ein potentieller Grund für Verhaftung, und alle Rückkehrer aus Indien unterstehen verschärfter Überwachung und vermehrten Einschränkungen.

Der Bericht dokumentiert auch, wie trotz aller Leugnung durch die Chinesen Folter immer noch ein Hauptelement der Mißhandlung im Gefängnissystem ist. Das TCHRD erhielt Berichte über den Tod von zwei politischen Gefangenen im Jahre 2000 und weiteren zweiundzwanzig, die ihr Urteil verlängert sahen. Ebenfalls erhielten wir von ehemaligen Gefangenen detaillierte Informationen über die Proteste von 1998 im Drapchi Gefängnis.

Im Jahr 2000 fuhr China fort, die Rechte von Frauen und Kindern in Tibet zu verletzen. Die Ratifizierung der Konvention zum Schutz dieser Rechte brachte keine Abnahme an Zwangssterilisierungen und kontrazeptiven Praktiken, die eine ernste Gefährdung für Leben und Gesundheit der Frauen darstellen. Im Gegenteil, es scheint eine Zunahme diesbezüglicher Fälle zu geben. Mit der stillschweigenden Billigung der Regierung ist auch die Prostitution in ganz Tibet im Vormarsch und damit das Risiko von Hepatitis und HIV/AIDS.

Tibetische Kinder blicken einer immer ungewisseren Zukunft entgegen. Im Sektor von Bildung und Beschäftigung herrscht ein hoher Grad an Diskriminierung, wodurch die Heranwachsenden jeder echten Chance auf Ausbildung und Karriere beraubt werden. Berichte von kürzlich eingetroffenen Flüchtlingen bestätigen, daß sich Erziehungs- und Gesundheitseinrichtungen auf die hauptsächlich von Chinesen besiedelten urbanen Regionen konzentrieren. Dies bedeutet eine weitere Diskriminierung der Mehrheit der tibetischen Bevölkerung, die vornehmlich in den armen, abgeschiedenen ländlichen Gegenden wohnt.

Der Bericht legt genau dar, wie Diskriminierung in allen Bereichen der chinesischen Verwaltung wild um sich greift. "Die Erzählungen der Flüchtlinge enthüllen ein tief verwurzeltes Rassenvorurteil bei chinesischen Arbeitnehmern, die Tibeter automatisch als inkompetent und rückständig kategorisieren", bemerkt Lobsang Nyandak. Diese Haltung ist typisch für die meisten der chinesischen Einwanderer und zieht daher nicht nur die Sektoren von Geschäft, Erziehung, Beschäftigung und Gesundheitsfürsorge in Mitleidenschaft, sondern alle Aspekte des tibetischen Lebens, einschließlich der öffentlichen Vertretung, des Wohnungs- und des Steuerwesens. Pekings Politik der Bevölkerungsverlagerung trägt weiter zu der Diskriminierung und Marginalisierung der Tibeter in ihrem eigenen Land bei.

Als Folge der Unterdrückung und der konstanten Entbehrungen hinsichtlich des Existenzunterhaltes verzeichnete das TCHRD im Laufe des Jahres 2000 die Flucht von annähernd 2660 Tibeter ins Exil. Von diesen waren 900 Kinder unter 18 Jahren, 507 Frauen und 642 Mönche und Nonnen. Diese Flüchtlinge stellen eine laufende Informationsquelle für das TCHRD dar, aber in Lobsang Nyandaks Worten "geben die Informationen in diesem Bericht nur einen Bruchteil der wirklichen Lage in Tibet heutzutage wieder". Der prominenteste der im vergangenen Jahr in Indien eingetroffenen Flüchtlinge war das bekannte religiöse Oberhaupt, der 17. Karmapa. Die Chinesen hatten ihn bisher als eine wichtige pro-chinesische religiöse Gestalt propagiert, weshalb seine Aussage, "die tibetische Religion und Kultur hätten nun den Punkt der völligen Zerstörung erreicht", besonders bemerkenswert ist.

In der dem Bericht angefügten Liste von 11 Empfehlungen unterstreicht das TCHRD daß, der "bilaterale Dialog", den die internationalen Gremien mit China führten, keine positiven Ergebnisse brachte. Dieser würde laut Nyandak von Peking konstant als Methode verwandt, um internationaler Überwachung und Verantwortung zu entgehen: "Wir rufen daher ernsthaft alle Mitgliedstaaten der UNO auf, ihre derzeitige Politik dringend zu überprüfen und einzusehen, daß eine Verurteilung Chinas wegen seiner anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte und Mißachtung internationaler Rechtsnormen in allen internationalen Foren das geeignete Mittel zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Tibet und in China ist."

"Enforcing Loyalty" (Erzwingung der Loyalität): Der Jahresbericht 2000 ist auf der website von TCHRD unter www.tchrd.org zu lesen.

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